Wir sind immer häufiger online und hinterlassen ständig Datenspuren im Internet. Laut „Onlinestudie 2017“ von ARD und ZDF rufen allein in Deutschland täglich über 50 Millionen Menschen Informationen aus dem Internet ab. Im Schnitt ist jeder Deutsche täglich fast zweieinhalb Stunden im Netz – 21 Minuten länger als noch 2016. Dieser Prozess hat mit den ersten vernetzten PCs begonnen, wurde mit der Einführung des Smartphones intensiver und durchdringt mit dem „Internet of Things“ und „Smart Homes“ das komplette Leben.
Eine Entwicklung voller ungeahnten Gefahren: Datenschutz spielt im Internet kaum eine Rolle, eine unheilige Allianz aus Wirtschaft und Politik tritt Bürgerrechte mit Füßen. Gleichzeitig haben milliardenschwere Unternehmen ihre Kunden in Bezug auf persönliche Daten Schritt für Schritt auf Schmerzfreiheit dressiert und sich im selben Atemzug auf Auswertung, Ausbeutung und Vermarktung der Daten spezialisiert. Das Resultat sind persönliche Nutzerprofile, von denen selbst die Stasi nur hätte träumen können. Welchen Einblick datensammelnde Unternehmen in unser Privatleben erlangen können, veranschaulicht folgender „digitale Tagesablauf“ samt Datenspuren aus dem Internet.
7:00 Morgendliche Rituale
Nachrichtencheck beim Frühstück: Tracker erfassen, wann eine Person zum erste Mal am Tag online ist. Allein aus diesen Datenspuren im Internet lassen sich Rückschlüsse auf den Tagesablauf ziehen. Auf die politische Gesinnung gibt das Surfverhalten Hinweise: Wer bevorzugt bei taz.de vorbeischaut, sympathisiert sehr wahrscheinlich mit dem linken, Besucher von faz.de mit dem konservativen Lager.
Verlassen des Hauses: Smarte Heizthermostate drosseln automatisch die Temperatur, wenn jemand seine vier Wände verlässt. Uhrzeit und Regelmäßigkeit können eindeutige Indizien liefern, ob jemand einer geregelten Beschäftigung nachgeht.
8:30 Bewegungsprofile
Fahrt zur Arbeit: Das Smartphone samt GPS ermöglicht ein detailliertes Bewegungsprofil. Wie fährt der Nutzer zur Arbeit, wie lange hält er sich dort auf? In welchen Geschäften erledigt er seine Einkäufe, wo wohnen seine Freunde? Solche und viele andere Daten lassen sich aus Bewegungsprofilen ableiten.
12:30 Finanzkraft
Onlineshopping: Das Onlinekaufverhalten offenbart dank Cookies eine ganze Menge über die individuelle Situation. Wer statt renommierter Marken günstige No-Name Ware wählt, dem scheint es an Geld zu mangeln. Wer dann noch täglich auf einschlägigen Webseiten mehrere Runden Onlinepoker zockt, gilt aufgrund dieser Datenspuren im Internet mit Sicherheit als nicht besonders kreditwürdig.
18:00 Fitness-Level
Feierabend: Essen und Lebensmittel per Onlinedienst direkt ins Haus kommen lassen – kein Problem. Ob Supermarkt oder Pizza-Dienst: Derartige Bestellungen lassen ebenfalls aussagekräftige Rückschlüsse auf den Lebensstil zu, beispielsweise wie bewusst sich jemand ernährt. Kombiniert mit Daten zu Pulsfrequenz und sportlichen Aktivitäten, übermittelt von der Smartwatch, ergibt sich so ein detailliertes Gesundheitsprofil.
20:00 Mediennutzung
Abend vor dem Fernseher: Welches Programm und welche Sendungen geschaut werden, protokollieren Smart-TVs haarklein. Fans von Shows und Serien mit überschaubarem Anspruch laufen womöglich Gefahr, als weniger gebildet zu gelten. Noch besser funktioniert die mediale Auswertung zur Erstellung von Nutzerprofilen bei Videoportalen wie Netflix, YouTube und Amazon Prime Video.
23:00 Sex
Nachtleben: Auch über sexuelle Vorlieben wissen Tracker, Suchmaschinen und Gerätehersteller längst Bescheid – sogar, wie lange Personen (bis zum Abschalten eines Pornos) brauchen.
Anonym surfen – so geht’s
Nahezu jedes mit dem Internet verbundene Gerät liefert unablässig Nutzerdaten. Wer ungern persönliche Informationen über Einkommen, Krankheiten, politische Gesinnung und andere Geheimnisse mit profitorientierten Unternehmen teilt, muss aktiv werden. Herkömmlicher Datenschutz greift hier viel zu kurz, selbst wenn man sich gelegentlich im Schutz vermeintlicher Anonymität im Internet bewegt. Datenspuren im Internet hinterlassen wir alle.
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